Samstag, 9. Mai 2015

Retro-Reise-Bericht:
SPANIEN

TEIL 1 (2006)
Der Norden
Abendland, der Jakobsweg als Rückgrat


Anfahrt (2006):
In Frankreich machen wir einen „Coast-to-coast“: vom Mittelmeer, mit Zypressen auf steinigen Kiesflächen, zum Atlantik, wobei es immer grüner und üppiger blüht, aber auch gerne mal fein regnet.
Lourdes können wir nicht auslassen. Es ist voll von Menschen, die sich in Gruppen um Guides-mit-Regenschirm-hochhaltend versammeln, um gemeinsam die Gnadenkapelle zu besuchen. Die wundertätige Marienquelle finden wir gar nicht, vor lauter Gewurle. Dafür gibt es in den Straßen jede Menge religiöser Souvenirs zum Kauf. 




An der Biskaya tangieren wir die Pyrenäen – hohe, grüne Berge, mit Hütten aus Fachwerk. Wäre dies ein Bilderrätsel, ich würde auf das Allgäu tippen. Und dennoch sind wir bereits in Spanien.

Ich bezahle die Maut, grüße mit „buenos dias“. Der Mann erwidert etwas wie „baa“. Das war wohl der baskische Ausdruck.

Santillana del Mar ist ein mittelalterliches Bilderbuchstädtchen, aus Natursteinhäusern, mit Gassen, Gemüsegärten, alten Tavernen. Ein schöner Ort, gemütlich und alt. Könnte aber auch in Frankreich oder Deutschland sein ... Im Café erst wird uns klar: wir sind in Spanien, wir sind wirklich da! 





Die Nordküste ist wirklich toll. Zur Rechten der Atlantik, zur Linken grüne Berge (das Kantabrische Gebirge), dazwischen Braun-, Rot- und Weißtöne der Strände und der Rìas.
Rìas sind Bäche, die bei Flut vom Meer ins Land fließen, und bei Ebbe wieder ab. 




Immer wieder regnet es, ganz feiner Sprühregen, für ca. 3 Minuten – den man irgendwann nicht mehr merkt.
Alte Häuser auf den Klippen sehen aus wie in Hitchcock-Filmen – nach England oder Amerika. 






In Noja sind wir wohl die einzigen Fremden auf dem Campingplatz, und der ist groß. Der Ort ist „geschlossen“, zumindest mittags. Ab eins riecht es auf dem ganzen Platz nach gegrillten Meeresfrüchten, Familien kommen zusammen. Nach Noja kommen Spanier zur Sommerfrische, also zum abkühlen – und abends ist Stimmung.
Überall in der Gegend gibt es lustige T-Shirts mit Comic-Kühen – hier kommt die Milch her.

Mit „buenas dias“ liege ich übrigens voll daneben. Es heißt einfach „hola“ [ollah].
Und ein Espresso Macchiato heißt hier „Cortado“ (ca.: Abgeschnittener). Bitte nicht deutsch aussprechen, damit verstand mich keiner. Das r muss richtig rollen! [korrrrrtáddo]

Galicien ist mit Portugal verwandt. Die Sprache klingt ähnlich, man redet nicht so viel, leidet oder träumt gerne mal vor sich hin. Postkarten zeigen z.B. Motive in Schwarz-Weiß, wie jemand alleine im Regen durch graue Gassen wandert. Und doch ist man stets freundlich und aufmerksam.

Im Rasthaus dominieren 70er-Jahre Messing-und-Plastikmöbel, es sieht nach Bretagne oder Irland aus.
Die Landstraße bringt uns über dunkles Land, wolkenverhangen. Hinter einer Natursteinmauer ist der Friedhof, Wintergärten an verwitterten Häusern – ich fühle mich vollends nach Irland versetzt.
Tatsächlich gelten die Galicier (Gallaeker) als keltisches Volk, sind also u.a. mit Iren, Schotten und Bretonen verwandt. 






Zum Ende der Welt ist es ein Tagesausflug. Ein „Ende der Welt“ gibt es in Europa mehrmals, der westlichste Teil des europ. Festlandes ist tatsächlich das Cabo da Roca in der Nähe von Lissabon. Aber am Kap Finisterre ist es auch schön.
Die Skulptur von leeren Schuhen passt: hier ist schon einer aus den Latschen gekippt. Sehnsuchtsvoll schauen wir auf den Atlantik hinaus. 




Santiago de Compostela ist natürlich Sehnsuchtsort aller Pilger auf dem Jakobsweg.
Das Erste das wir sehen und hören ist: ein Dudelsackspieler („Gaita“ heißt die Sackpfeife hier). Daneben: ein Laden mit keltischem Schmuck und Klimbim. 






Woher kommt jetzt dieser Jakobsweg?
Die ersten christlichen Reiche der Region brauchten eine Identifikationsgestalt, und griffen auf eine alte Überlieferung zurück, nach der der Apostel Jakobus der Ältere dort begraben wäre. Er wurde zu ihrem Schlachthelfer (gegen die arabischen Armeen) – außerdem verband der Weg die christlichen Reiche.
Ich -ganz persönlich- werde den Eindruck nicht los, dass europ. Herrscher, als auch Päpste, bei der Bedeutung etwas nachhalfen. Immerhin war hier das Ende des christlichen Abendlandes, bedroht von der arabischen Eroberung, mit dem Rücken zum Atlantik. Eine heilige Stätte, immerhin die drittheiligste der damaligen Welt, wertet das Land natürlich erheblich auf.

PORTUGAL
Nebel hängt über der Autobahn und der Küste. Uhr umstellen, eine Stunde zurück!

An verwaschenen Plattenbauten vorbei fahren wir ins Zentrum von Braga und sehen uns um. Bemalte Fliesen (Azulejos) sind allgegenwärtig, alte Gemäuer bilden ein hübsches Städtchen.
Leise und fast wortlos laufen die Leute vorbei, manch junger Mann ausgesprochen schmuddelig. Für uns interessiert sich keiner – die den Portugiesen eigene Lethargie beherrscht die Menschen.
Espresso: 0,50 EUR
Im Radio: eine Stunde Tekkno-Trance, ohne Ansage oder Unterbrechung. 





wieder in Spanien
Die Gegend um das Puebla de Sanabria, in der Provinz Zamora, ist bekannt für seine gute Luft. Und wirklich: die Luft ist gut, die Berge sind schön, wir sind auf etwa 900 Höhenmetern.
Über dem Zeltplatz hängen dicke Netze, für Schatten. Abends wird es kühl, wir haben 2 Pullis übereinander an. Nachts: +3°C.

Auf der Südseite des Kantabrische Gebirges liegt wiederum eine eigene Welt:
die Meseta von ...

KASTILIEN
Abgebrannte Felder, gelbe Grasbüschel, kahle Berge, auf ihnen Windräder. Darüber weiter, blauer Himmel mit Schönwetterwolken. 






León
Alte Hauptstadt des Königreichs León, das später in Kastilien aufging.
In den Außenbezirken farblos in vielen Braun- und Gelbtönen, wie die meisten span. Städte. 3-4 Stockwerke hoch ragen Wohnhäuser an engen Straßen auf, werfen sich gegenseitig Schatten zu.
Hinter der Stadtmauer, mit ein paar Türmen, ist es aufgelockerter. Alte Schilder werben für noch ältere Läden, zwei Kathedralen sehen aus wie in Frankreich.
Hier kann man im verwaschenen T-Shirt herumlaufen – Ladies und Touristen werden freundlich begrüßt (auch wenn manche Männer nach „Typ Macho“ aussehen). 







Burgos
Krönungsstadt vieler Könige, ist eleganter als León. Ältere Ladies gehen im Sonntagskostüm zum Kaffeetrinken. Der überwiegende Teil ist gotisch, gebaut wurde aber über die Jahrhunderte hinweg. Die Kathedrale beherbergt so ziemlich alle europ. Stile, als auch ein Bild ("Maria Magdalena") eines Schülers Leonardo da Vincis.
Einer der Baumeister war übrigens Hans aus Köln. Das Bauwerk sollte den Machtanspruch Kastiliens unterstreichen. Der spanische Nationalheld „El Cid“ liegt in seinem Grabmal in der Vierung. 





Jaca, Provinz Aragon
Das Kloster San Juan de la Peña ist ein Kleinod. Idyllisch an der Südseite der Pyrenäen gelegen – ein kurvenreicher, langer Bergpass bringt einen dorthin.
Im 8. Jh. zogen sich Einsiedler hierher zurück, auf der Flucht vor arabischen Eroberern.
Ab dem 11. Jh. wurde unter einem Felsen Kloster gebaut. Der romanische Säulengang wurde aufwendig gestaltet, jede Säule anders, man schaut von hier über den schönen Bergwald. Im 16. Jh. brannte das Kloster ab, man ließ die Reste zurück. Der überhängende Fels dient heute als Dach. In der Gruft wurden aragonsesische Könige beigesetzt.
Und wer den Heiligen Gral in der Roslyn Chapel (Schottland) nicht finden konnte: auch hierher gibt es eine heiße Spur (!). (Er wurde eine zeitlang hier verwahrt, heute ist er in Valencia zu finden, in der dortigen Kathedrale. Anm.d.Verf.)





„Unten“ ist wieder Halbwüste, die Autobahn bringt uns nach Osten. Mitten in der „Wüste“ kommt die „Grenze“: Eine riesige Fahne mit rot-gelben Streifen flattert im Wind. Ab hier sind wir in Katalonien / Catalunya. 




Über Barcelona wird ja viel geschrieben und erzählt. Partyhochburg, beliebtes Ziel für Städtereisen, architektonische Sehenswürdigkeiten, und vieles mehr. La Catedral ist einen Besuch wert, Antoni Gaudi hat sehr kreative Hausfassaden geschaffen, und mit der Basilika Sagrada Familia (ab 1882) eine der größten Kirchenbaustellen unserer Zeit. Der Montjuic zeigt Beispiele moderner Architektur. Auf den Einkaufsstraßen laufen gut gekleidete Leute und kaufen ein. Barcelona ist elegant, das zeigt man gerne. Männer des „Typ Macho“ tragen z.B. Einkaufstüten der Ladies beim Edel-Shopping. 






Unser Highlight ist das Nationalmuseum, auf dem ehem. Gelände der Weltausstallung von  1929. Mit der Rolltreppe fährt man den Hügel hoch, zum Eingang.
Gezeigt werden Exponate von der Romanik bis zum Klassizismus. In der Abt. „Romanik“ wurden Innenräume von kleinen Dorfkirchen der Pyrenäen nachgebaut. Restauratoren „zogen“ um 1900 alte Gemälde auf Tuch, und gaben sie im Museum originalgetreu wieder, auf gleichformige Wände. So hat man auf einem Fleck ein Panoptikum an frühmittelalterlichen Malereien. Einschlägige Schemen gab es nicht wirklich, in jeder Kirche wurden die „üblichen Themen“ interpretiert. Es ist diese Vielfalt und Freiheit, die uns fasziniert, die Mischung aus Antike, Volksmythen und neuer Zeit.

Zum Vergleich: „nebenan“, in der Abteilung Gotik, beginnt es mit knieender Anbetung, dargestellten Würdenträgern, die das Jesuskind verehren, dem Höllenschlund, und all dem, das uns zum Mittelalter einfällt - stilistisch schon wesentlich einheitlicher.

Berichte über moderne Architektur, die besten Bars und Tipps zum Nachtleben überlasse ich Anderen, die das besser können. Dieser Teil endet am Strand des Mittelmeers, einem schönen Strand mit vielen Muscheln, Lagerfeuern und Musik von Leuten aus aller Welt.
Teil 2 beginnt hier auch. 




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